Unser Gemeindekirchenrat trat vor einiger Zeit an den Kantor mit der Frage heran, ob es möglich sei, einen Gottesdienst mit Wunschliedern zu feiern, was so viel bedeutet, dass die „singende Gemeinde“ sich einmal selbst Gedanken machen kann, ob es Lieder gibt, die man gern singt und die vielleicht nicht oft genug oder auch gar nicht gesungen wurden, und ob man selbst den Wunsch verspürt, ein ganz bestimmtes Lied, was einem vielleicht persönlich etwas bedeutet, mit der Gemeinde in unserer Kirche zu singen.
Es gibt in der traditionellen evangelischen Kirche eine Fülle von „bekannten“ Liedern, die auch in vielen kirchenmusikalischen Werken, Kantaten und Orgelwerken verarbeitet sind und die in den Herzen der traditionellen singenden Gemeinde einen festen Platz haben. Bekannte Beispiele sind „Vom Himmel hoch“ zu Weihnachten oder auch „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ zum Ewigkeitssonntag. Dieses traditionelle „Liedgut“ hat neben dem geistlichen Inhalt auch einen kulturellen Wert, und jede neue Gesangbuchkommission (in den nächsten Jahren wird wieder ein neues evangelisches Gesangbuch herausgegeben) überlegt lange und gründlich, welche Lieder „bleiben“ sollen und welche „verschwinden“.
Im unmittelbaren Vorfeld dieses Wunschlieder-Gottesdienstes am 25. Juni gab es einige besorgte Nachfragen, was es denn damit auf sich habe. Und so wurde in der Tagespresse angekündigt, dass Interessierte gern in den Tagen vor dem Gottesdienst Kontakt zum Kantor aufnehmen und die Wünsche mitteilen können (oder alternativ direkt vor dem Gottesdienst). Auf eine Praxis „Lied auf Zuruf“ im Gottesdienst wurde wegen der Größe des Raumen und der damit verbundenen Schwierigkeiten der Verständigung verzichtet.
Und so waren natürlich Kantor Hütterott und (Gast-)Pfarrer Schollmeyer freudig gespannt, wie das denn wohl werden wird. Für den Fall, dass vom „Wünschen“ niemand Gebrauch machen würde, hatte man sich schon im Vorfeld mögliche Lieder ausgesucht.
Dann kam jedoch ein erstaunlicher Überraschungsmoment: Kurz vor knapp – da mussten Pfarrer und Kantor ganz schön Tempo machen – erschien eine Liste mit zahlreichen Liedern, gefühlt dreimal so viele wie üblich. Und in aller Windeseile hat man sich überlegt, wann denn welche Lieder „drankommen“ sollen. Daraus wurde dann ein erstaunlich musikalischer Singegottesdienst; man spürte förmlich, da ist etwas „passiert“, mit jedem Lied wurde eifriger gesungen (zur Erinnerung: Singen macht Spaß), was dann den Organisten auch wieder zu weiteren fantasievollen Variationen anspornte. Nach dem Gottesdienst fragten sich die Verantwortlichen zu Recht, warum diese Praxis nicht öfter angewendet wird, oder vielleicht gar jeden Sonntag.
Was in jedem Fall deutlich wurde: Neben unseren neuen „POP-Gottesdiensten“, in denen das neue Gesangbuch „Neue Lieder Plus“ verwendet wird und die gerne angenommen werden, besteht der dringende Wunsch, genauso die traditionellen Lieder weiter zu singen, und zwar in großer Zahl und nicht nur die „ganz bekannten und einfachen“, sondern alle schönen und gehaltvollen, vor allem auch die, die eine herausragende melodische Qualität aufweisen, damit Gemeinde und Orgel zu einer lebendigen musikalischen Einheit werden.
Man darf gespannt sein, ob die Freude am Singen noch intensiver erfahrbar wird, wenn unsere Orgel in top-saniertem Zustand in 2025 wieder in unsere Kirche zurückgekehrt sein wird.